Timm Nissen schreibt in der RÜ 2016, 57, 62:
Der Beklagte kann sich aber auch zunächst durch Bestreiten der anspruchsbegründenden Tatsachen und/oder die Geltendmachung sonstiger Einreden verteidigen und die Aufrechnung lediglich hilfsweise für den Fall erklären, dass die sonstige Verteidigung erfolglos bleibt. Bei einer solchen Hilfsaufrechnung (auch Eventualaufrechnung genannt) soll nach dem Willen des Beklagten über die Aufrechnung erst dann entschieden werden, wenn feststeht, dass die Klage ansonsten Erfolg hat. Hiervon ist immer dann auszugehen, wenn sich der Beklagte nicht ausschließlich mit der Aufrechnung verteidigt.
Eine Hilfsaufrechnung soll also dann vorliegen, wenn sich der Beklagte nicht ausschließlich mit der Aufrechnung verteidigt.
Liegt also eine Hilfsaufrechnung vor, wenn sich der Beklagte „primär“ mit Rechtsansichten und nur „hilfsweise“ mit einer Aufrechnung verteidigt? Hier muss man aufpassen, um nicht in eine Falle zu tappen.
In den Online-Materialien der KaiserSeminare zur Aufrechnung in der Zivilgerichtsklausur heißt es dazu:
Wenn der Beklagte das tatsächliche Vorbringen des Klägers nicht bestreitet, es aber rechtlich anders wertet, sich mit dieser Ansicht in erster Linie zur Wehr setzt und erklärt, er rechne „hilfsweise“ oder „vorsorglich“ mit einer Gegenforderung auf, dürfen Sie darauf nicht hereinfallen! Eine Aufrechnung wird nicht dadurch zur Hilfsaufrechnung, dass der Beklagte sie irrig so bezeichnet. In diesen Fällen handelt es sich um eine „versteckte“ Primäraufrechnung, weil rechtliche Wertungen kein Verteidigungsvorbringen in der Sache sind, was für eine Hilfsaufrechnung erforderlich ist.
Wenn sich der Beklagte also „primär“ mit Rechtsansichten verteidigt und nur „hilfsweise“ mit einer Aufrechnung, handelt es sich dennoch um eine Primäraufrechnung – und das ganz unabhängig davon, wie der Beklagte die Aufrechnung selbst bezeichnet.
Kaiser-Skripten sind keine seriöse Quelle. Auch hier ist schlicht falsch, was da steht. Eine Primäraufrechnung liegt nur dann vor, wenn der Beklagte die Klageforderung als solche anerkennt, sich also auch nicht mit Rechtsausführungen verteidigt.
Danke wie stets für Ihren kritischen Einwand. Wenn man jetzt schon Kaiser nicht mehr trauen kann … 😉 Allerdings hat es die Kaiser’sche Meinung bereits bis in die Rechtsprechung geschafft:
„Eine Hilfsaufrechnung liegt vor, wenn der Beklagte die den Klageanspruch begründenden Tatsachen bestreitet. Vorliegend hat sich der Beklagte zwar gegen die Klageforderung gewehrt; dabei hat er jedoch keine den Anspruch begründenden Tatsachen bestritten. Er hat lediglich eine divergierende Rechtsauffassung zur Grundlage seiner Verteidigung gemacht. Damit handelt es sich bei der Aufrechnung – auch wenn sie wohl als Hilfsaufrechnung dargestellt wurde (vgl. die Ausführungen im Schriftsatz des Beklagten vom 07.06.2018, wonach „vorsorglich“ die Aufrechnung erklärt wurde) – tatsächlich um eine Primäraufrechnung, so dass für die Anwendung des § 45 Abs. 3 GKG kein Raum ist.“
(AG Münster, Beschl. v. 16.11.2018, 48 C 712/18, juris, Rn. 3)
Und nicht nur das: In einem aktuellen Aufsatz in der JA stellt RiLG Dr. Steffen Eicker die beiden divergierenden Auffassungen in dieser Sache dar:
„Wie bereits dargestellt wurde, setzt § 45 III GKG eine Hilfsaufrechnung voraus, dh, eine Primäraufrechnung reicht für die Anwendung der Norm nicht aus. In diesem Zusammenhang ist allerdings umstritten, was für eine Hilfsaufrechnung in diesem Sinne vorausgesetzt ist. Insbesondere wird zum Teil vertreten, dass eine solche Hilfsaufrechnung zwingend erfordere, dass der aufrechnende Beklagte auf tatsächlicher Ebene den Sachvortrag zur klägerischen Forderung bestreitet. Rein rechtliches Bestreiten reiche hierfür nicht aus, da das Gericht ohnehin von Amts wegen das Recht umfassend prüfen müsse.
[…]
Die andere Auffassung lässt es für die Qualifikation als Hilfsaufrechnung ausreichen, wenn der Beklagte die klägerische Forderung „rechtlich bestreitet“, ohne dass insoweit Tatsachenvortrag streitig ist, und die Aufrechnung an die Bedingung knüpft, dass das Gericht der Rechtsauffassung des Beklagten nicht folgt. Demnach führt eine hilfsweise erklärte Aufrechnung auch dann zu einer Erhöhung des Streitwerts gem. § 45 III GKG, wenn sich der Beklagte als Hauptverteidigung nur mit anderen rechtlichen Schlüssen auf identischer Tatsachenbasis gegen den Anspruch verteidigt.“
(Eicker, JA 2020, 48, 55)
Und – was für Referendarinnen und Referendare (und auch für Bloggerinnen) besonders tröstlich ist – es genügt nach Eicker, das Thema in der Klausur anzusprechen:
„Dieser Streit hat, soweit ersichtlich, in Rechtsprechung und Lehre bislang keine allzu große Beachtung gefunden. Wenn dieses Problem in einer Klausur angelegt ist, dürfte ein Referendar, der es überhaupt erkennt und erörtert, bereits Punkte gut gemacht haben.“
(Eicker, JA 2020, 48, 55)
Hätte ich alles dies bereits beim Verfassen des Blog-Beitrags gewusst, hätte ich mich nicht auf eine Seite geschlagen, sondern den Meinungsstand so schön wie Eicker dargestellt.
Übrigens haben sich schon im Jahre 2010 Referendarinnen und Referendare den Kopf über diese Fragestellung zerbrochen: https://forum.jurawelt.com/viewtopic.php?f=50&t=36487.
Dieser Streit hat m.E. deswegen „in Rechtsprechung und Lehre bislang keine allzu große Beachtung gefunden“ – eher doch wohl: überhaupt keine –, weil es ihn nicht gibt. Mehr „Streit“ als diesen einen nicht näher begründeten amtsgerichtlichen Streitwertbeschluss, bei dem es sich eher um einen Flüchtigkeitsfehler handeln dürfte, hat doch auch der zitierte JA-Aufsatz nicht ausgegraben. (Alternative Theorie: Amtsrichter und Aufsatzverfasser benutzen das Kaiser-Skript, trauen sich aber nicht, das zu zitieren.)
Ich halte es jedenfalls lieber mit dem BGH (z.B. BGH NJW-RR 1995, 508: es kommt darauf an, ob die Parteien „wirtschaftlich um einen oder um zwei Beträge streiten“, oder BGH NJW 2018, 2269 Rn. 16 f.: nur bei „Beschränkung seiner Verteidigung auf die Aufrechnung“; weitere Nachweise und Argumente s. unten auf der verlinkten Jurawelt-Seite) und der prozesswissenschaftlichen Literatur (z.B. Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 18. Auflage 2018, § 104 Rn. 14: „Von einer Eventualaufrechnung spricht man, wenn der Beklagte den Anspruch des Klägers bestreitet, die Aufrechnung aber dennoch erklärt, um einer Verurteilung zu entgehen, falls das Gericht die Klageforderung bejaht. Fast alle Prozessaufrechnungen sind Eventualaufrechnungen, es sei denn, dass der Beklagte die Klageforderung anerkennt und gegen sie keine anderen Einreden als die Aufrechnung vorbringt (sog. Primäraufrechnung).“
Vielen Dank für diese weiterführende Analyse. Es erschreckt mich immer wieder, was man in der juristischen Ausbildungsliteratur alles kritisch überprüfen muss.
Im Sinne eines „audiatur et altera pars“ hier die Einschätzung von Torsten Kaiser:
„1. Das, was Sie zur Hilfsaufrechnung und v.a. dazu, dass eine Hilfsaufrechnung grds. Bestreiten des klägerseits vorgetragenen Sachverhaltes voraussetzt, in einem unserer Lehrbücher gelesen haben, stammt NICHT von uns. Das haben wir aus mehreren Lösungsskizzen der LJPAs der letzten Jahre gesammelt und in unseren Lehrbücher übertragen.
2. Wichtig ist zu erkennen, dass die Frage, ob eine Hilfsaufrechnung wirklich Bestreiten voraussetzt oder nicht, umstritten ist. Zum Teil wird vertreten, dass für eine Hilfsaufrechnung Bestreiten des klägerischen Sachverhaltes durch den Beklagten nicht nötig ist. Es reichen auch Rechtsangriffe gegen die Klageforderung, „hilfsweise“ wird dann – falls man mit den reinen Rechtsangriffen nicht durchdringt, aufgerechnet. Das ist durchaus vertretbar und nicht „falsch“.
In diesen Fällen dürfte jedoch nach überzeugender Ansicht (der wir bei den Kaiserseminaren und die LJPAs zustimmen!) eine echte klassische Hilfsaufrechnung (iSv § 45 III GKG) streng genommen nicht möglich sein, denn rechtliche Fragen zur Klageforderung (dh rein rechtliche Begründetheitsaspekte) muss das Gericht auch ohne Vortrag der Partei kraft Amtes bei einer Primäraufrechnung prüfen, sonst kann keine Aufrechnungslage bestehen! Diese Auffassung halten wir für „besser“.
Dafür dürfte auch der Sinn und Zweck von § 45 III GKG sprechen, nämlich die bei einer Hilfsaufrechnung (und zwar durch je eine Beweisaufnahme) anfallende Mehrarbeit für zwei streitige Forderungen auszugleichen. Gibt es keine (tatsachenbezogene) streitige Klageforderung, dann gibt es auch keinen Mehraufwand gegenüber einer Primäraufrechnung.
Die hM, die es im Falle der Hilfsaufrechnung dem Gericht verwehrt, das Bestehen der Klageforderung mit der Begründung dahingestellt zu lassen, es sei jedenfalls die Hilfsaufrechnung durchgreifend, heißt zudem nicht ohne Grund »Beweiserhebungstheorie«. Bei der echten Hilfsaufrechnung muss zuerst über die »bestrittene Klageforderung« Beweis erhoben werden. Das alles impliziert, dass eine echte Hilfsaufrechnung bestrittenen Tatsachenvortrag bezüglich der Klagebegründung voraussetzen dürfte.
In einer Klausur ist es nicht relevant, wie Sie entscheiden, sondern dass Sie überhaupt auf die Thematik (in der Beklagtenklausur in der Zweckmäßigkeit) eingehen.
So wie hier lösen es auch: AG Münster BeckRS 2018, 34159; Kaiser/Kaiser/Kaiser Zivilgerichtsklausur I Rn. 32; Dresenkamp/Sachtleber Zivilakte Rn. 88; Schneider Zivilrechtsfall Rn. 931 ff.; auch nach Knöringer Zivilprozess S. 167, Binz/Dörndorfer GKG § 45 Rn. 23, BeckOK ZPO/Wendtland § 145 Rn. 27 und Zöller/Greger ZPO § 145 Rn. 13 setzt eine Hilfsaufrechnung eine »streitige« oder »bestrittene« Klageforderung voraus – streitig können aber doch nur Tatsachen sein; vgl. auch OLG Frankfurt a.M. BeckRS 2014, 10091; OLG Düsseldorf BauR 2010, 937; OLG Karlsruhe MDR 1998, 1249; BeckRS 2008, 7446; LG Heidelberg BeckRS 2007, 143497: alle Entscheidungen sprechen jeweils von »bestreiten« bzw. »bestritten« bzgl. der Klageforderung bei Hilfsaufrechnung.
Vgl. zudem Kaiser, Anwaltsklausur Zivilrecht, Rn. 62.“
1. Herr Kaiser bastelt sich seinen „Meinungsstreit“, indem er Stellen sucht, wo jemand „bestrittene Klageforderung“ schreibt, und das dann mit der Aussage verknüpft, „bestreiten“ könne man nur Tatsachen. Damit verabsolutiert Herr Kaiser ein Begriffsverständnis von „Bestreiten“, das man ihm in der Referendarzeit im Kontext der Relationstechnik und der „kunstgerechten“ Erstellung eines Urteilstatbestands eingebimst hat. Einen dementsprechenden allgemeinen zivilprozessualen Sprachgebrauch gibt es aber nicht. Ich zitiere der Einfachheit halber mal aus Jurawelt: „Wenn die ZPO davon spricht, Ansprüche oder Rechtsverhältnisse würden „bestritten“ (z.B. §§ 94, 111, 112, 900, 1079 ZPO) oder seien „streitig“ (z.B. §§ 8, 29, 62, 154, 256, 287, 301, 304, 538, 880 ZPO), meint sie in gleicher Weise einen auf tatsächlichen Gegenbehauptungen wie auf rechtlichen Einwänden beruhenden „Streit“ über die Forderung als solche“. So isses. Und genauso verwendet das der BGH, und genauso meinen das auch die von Herrn Kaiser missverstandenen Zitate – die Leute schreiben ja bewusst „bestrittene Forderung“ und nicht „bestrittene Tatsachen“. Man lese doch einfach mal die von Herrn Kaiser zitierte Stelle bei Zöller/Greger: Greger stellt gleich mehrfach klar, dass es auf Einwände gegen den „Bestand der Klageforderung“ ankommt, und der wird durch rechtliches „Bestreiten“ ebenso in Frage gestellt wie durch tatsächliches. Oder man lese die bei Kaiser zitierte Entscheidung des OLG Karlsruhe von 1998: „…; entscheidend ist allein, ob die Beklagte die Klagforderung materiellrechtlich als solche bestreitet oder nicht.“, bzw. von 2008: „in der Sache … gegen die Klagforderung gewandt“. Oder OLG Frankfurt aaO.: „Durch eine Aufrechnung, die kein Erlöschen der Klageforderung zur Folge hat, weil nach Ansicht des Gerichts die Gegenforderung nicht besteht, wird die Hauptforderung streitig, so dass die weiteren Aufrechnungen Hilfsaufrechnungen sind.“ Oder LG Heidelberg aaO.: „… meint das sachliche Bestreiten der Forderung: der Streit um die Forderung … muss sich in … der materiellen Ebene abspielen“.
2. Das Argument, aufrechnen könne man denknotwendig nur gegen eine bestehende Hauptforderung, ist der Diskussion um die Frage entliehen, warum die Eventualaufrechnung eigentlich nicht gegen das Bedingungsverbot (§ 388 S. 2 BGB) verstößt. Wer diesem Argument folgt, verneint die Existenz von Primär- und Hilfsaufrechnung als zwei unterschiedlichen Kategorien; danach ist gewissermaßen jede Aufrechnung Hilfsaufrechnung und eine Primäraufrechnung gibt es gar nicht. Dagegen ist dogmatisch wenig einzuwenden (wenngleich das Gesetz in § 45 III GKG offenbar eine „besondere“ Hilfsaufrechnung voraussetzt). Für eine Unterscheidung zwischen rechtlichen und tatsächlichen Einwänden gegen die Klageforderung gibt das aber doch ersichtlich nichts her, eben weil für beide in völlig gleicher Weise gilt, dass über sie zuerst entschieden werden muss, ehe das Gericht auf die aufgerechnete Gegenforderung eingehen darf (in diesem Sinne gilt die „Beweiserhebungstheorie“ doch völlig unzweifelhaft auch für rein rechtliche Einwendungen gegen die Klageforderung).
3. Der wichtigste Punkt ist aber: Vor allem bei der Frage der Kostenverteilung (= des Teilunterliegens) und des Wertes des Beschwerdegegenstands (= für den Zugang zur Rechtsmittelinstanz) führt die Ansicht Kaiser schlicht zu indiskutablen Ergebnissen. Behandelt man die Aufrechnung für den Fall, dass die Parteien „nur“ aus Rechtsgründen über das Bestehen der Klageforderung streiten, als Primäraufrechnung, so ist der Kläger, wenn das Gericht die Klageforderung als bestehend anerkennt und die Klage nur wegen der Aufrechnung abweist, nach allgemeinen Grundsätzen vollumfänglich unterlegen und muss die vollen Kosten tragen. Ebenso würde für die Berechnung des Wertes des Beschwerdegegenstands, auf den es für den Zugang zur Rechtsmittelinstanz ankommt, nur eine der beiden Forderungen berücksichtigt werden, obwohl doch über beide streitig entschieden worden ist. Beides kann nun wirklich unmöglich richtig sein.(Im Streitwertrecht ist es zugegebenermaßen nicht so schlimm, da ist systematische Stimmigkeit ohnehin kein Kriterium. Aber auch da sieht es die Rechtsprechung eben nicht wie Herr Kaiser, s. nur BGH NJW-RR 1995, 508 und BGH NJW-RR 1999, 1736.)
4. Richtig, in der Examensklausur ist „Problembewusstsein“ schon die halbe Miete. Und ja, man hat sogar eine beachtliche Chance, dass der Korrektor Falsches als richtig bewertet, ebenso wie leider umgekehrt (ab und zu sogar aufgrund von Fehlern in der „amtlichen“ Lösungsskizze …). Und natürlich bildet der Streitwertbeschluss, bei dem sich unsere Frage am häufigsten praktisch auswirkt, i.d.R. keinen für die Bewertung zentralen Aspekt. Aber für das Assessorexamen sollte man doch bitteschön wissen, was im allgemeinen Sprachgebrauch eine Hilfsaufrechnung ist.
Es ehrt meinen Blog, dass hier so umfangreiche Analysen eingestellt werden – danke.
Aus den Kaiserseminaren: „Die neue h.M.: Auch divergierende Rechtsansichten führen zur Hilfsaufrechnung. Es gilt „falsa demonstratio non nocet“
Konnte zu der neuen Entwicklung leider nichts stichhaltiges finden.
„Kaiser-Skripten sind keine seriöse Quelle“. In meinem ersten Lehrbuch zum Jurastudium habe ich gelesen, dass es nicht auf die Autorität, sondern auf das Argument ankommt. Umgekehrt gilt dann aber auch, dass das Argument nicht schon deshalb falsch ist, weil es von einer nicht genehmen Autorität behauptet wird. Ich finde die Argumentation, dass im Fall des nur rechtlichen Bestreitens, von einer Primäraufrechnung auszugehen sei, sehr überzeugend. Andernfalls müsste man nämlich davon ausgehen, dass eine Aufrechnung, die nicht hilfsweise erklärt wird, immer mit einem vollständigen Anerkenntnis einhergeht, sprich das Gericht nicht einmal mehr die Schlüssigkeit der Hauptforderung prüft. Das halte ich für sehr abwegig und wird so auch nicht vertreten. Im Ergebnis ist eigentlich so, wie Herr Kaiser zwischen den Zeilen schreibt: Die Notwendigkeit Primär- und Hilfsaufrechnung voneinander zu unterscheiden ergibt sich nur wegen § 45 Abs. 3 GKG. Richtigerweise ist nämlich jede Aufrechnung, die nicht mit einem Anerkenntnis einhergeht, eine Hilfsaufrechnung, da das Gericht immer erst die Aufrechnungslage und damit auch das Bestehen der Hauptforderung zu prüfen hat. Nur dürfte man sie wegen § 45 Abs. 3 GKG im Urteil nicht als solche bezeichnen, wenn nur über das Recht und nicht über die Tatsachen gestritten wird. Andernfalls löst man die Streitwerterhöhung aus § 45 Abs. 3 GKG aus, obwohl das Gericht keine erhöhte Sacharbeit hat, sondern nur das tut, was es ohnehin tun muss, sprich die Rechtslage zu prüfen.
Nachdem ich mir nochmal die Argumentation von 123 durch den Kopf gehen lassen habe, muss ich mich korrigieren. Zu Punkt 3 seiner Argumentation: Für den Kläger spielt es keine Rolle, dass die Klage vollständig abgewiesen wird. Es wirkt sich weder auf seine Kosten noch auf seine Beschwer aus; es findet ja keine Streitwerterhöhung statt.
Das Problem dürfte aber beim Beklagten liegen. Dieser wolle ja eigentlich um seine zur Aufrechnung gestellte Forderung kämpfen, sie also nicht ohne Weiteres wegschmeißen. Nimmt man nun aber eine Primäraufrechnung an, hätte der Beklagte seinen Kampf verloren. Mangels Beschwer könnte er nicht in die nächste Instanz, um die rechtliche Würdigung des erstinstanzlichen Gericht anzugreifen. Bei einer Hilfsaufrechnung hätte er diese Möglichkeit aber, da er in Höhe der Hauptforderung beschwert ist. Vor diesem Hintergrund schließe ich mich 123 an.