Heute soll es um den Unterschied zwischen der Kostenaufhebung und der hälftigen Kostenauferlegung (Kostenquotelung) gehen. Dabei wollen wir uns die Konstellation anschauen, dass bloß eine Partei anwaltlich vertreten ist. Betrachten wir dazu folgendes Zitat:
Die auch mögliche, rechnerisch und sachlich grundsätzlich richtige Tenorierung, den Parteien die Kosten des Rechtsstreits je zur Hälfte aufzuerlegen, addiert hingegen sämtliche Kosten – einschließlich der außergerichtlichen – und teilt diese dann gleichmäßig unter den Parteien auf. Unterschiede zur gegenseitigen Kostenaufhebung kommen namentlich dann in Betracht, wenn z.B. eine der Parteien anwaltlich nicht vertreten ist. In diesem Fall werden die Anwaltskosten der einen anwaltlich nicht vertretenen Partei zwischen den beiden Parteien geteilt. Bei der gegenseitigen Kostenaufhebung hingegen würde die anwaltlich vertretene Partei ihre gesamten Anwaltskosten alleine zu tragen haben. Dies ist im Einzelfall auch sachgerecht, um die andere Partei nicht für ihre sparsame Prozessführung zu bestrafen (…).
(Markus van den Hövel, Die Tenorierung im Zivilurteil, 7. Aufl. 2017, Rn. 122)
Der Autor ist also der Auffassung, dass in der beschriebenen Konstellation (nur eine Partei ist anwaltlich vertreten) eine Kostenaufhebung sachgerechter als eine Kostenquotelung ist. Zur Begründung führt er an, dass nur so erreicht werden könne, dass die andere Partei nicht für ihre sparsame Prozessführung bestraft werde.
In einer Klausur sollten wir uns dieser Fragestellung ausführlicher widmen.
Dabei können wir uns an der Argumentation des LG Köln, Beschl. v. 01.02.2018, 11 T 97/17 orientieren. Das Gericht hält in solchen Fällen eine Kostenaufhebung gerade nicht für sachgerecht:
Die Kosten des Rechtsstreits waren nicht gegeneinander aufzuheben, sondern nach der Gewinn- und Verlustquote zu teilen. Die Kammer teilt nicht die Ansicht des Vordergerichts, dass in Fällen, in denen nur eine Partei anwaltlich vertreten ist, eine Kostenaufhebung geboten sei. Die für diese Rechtsansicht von Teilen der Literatur und Rechtsprechung vorgebrachten Argumente hält die Kammer nicht für überzeugend. Im Gegenteil führt diese Ansicht zu zufallsabhängigen und systemwidrigen Ergebnissen.
Zunächst zum „Bestrafungsargument“:
Zunächst erscheint das für eine Kostenaufhebung vorgebrachte Hauptargument, dass bei einer Kostenteilung die nicht anwaltlich vertretene Partei für ihre sparsame Prozessführung bestraft würde, nicht haltbar. Eine „Bestrafung“ findet bei einer Kostenquotelung gerade nicht statt, da bei einer solchen auch die nicht anwaltlich vertretene Partei von den insoweit niedrigeren Kosten des Rechtsstreits profitiert. Sie tut dies nur eben nicht in vollem Maße, sondern nur in dem Maße, wie es ihrem Obsiegensanteil entspricht. Ein solches Ergebnis entspricht aber gerade dem von § 92 ZPO grundsätzlich gewünschten Ziel. Die gegenteilige Ansicht vermischt systemwidrig die beiden grundsätzlich voneinander unabhängigen Aspekte der Höhe der Kosten des Rechtsstreits einerseits und der Kostentragungspflicht dem Grunde nach andererseits (vgl. auch Gemmer, NJW 2012, 3479 [3481]). Etwas anderes kann auch nicht der in § 92 I ZPO vorgesehene Möglichkeit einer Kostenquotelung entnommen werden (vgl. auch LG Hamburg, Beschl. v. 3.1.1985 – 2 T 55/85, BeckRS 1985, 4412). Diese dürfte vielmehr allein bezwecken, das Kostenfestsetzungsverfahren in geeigneten Fällen signifikant zu erleichtern und damit Rechtsfrieden herbeizuführen, indem den Parteien weitere potenzielle Streitpunkte – etwa hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit einzelner Positionen – erspart bleiben.
Im Gegenteil zur Ansicht von van den Hövel vertritt das LG Köln, dass eine Kostenquotelung gerade zu einer Bestrafung der anwaltlich vertretenen Partei führt:
Umgekehrt würde demgegenüber eine Kostenquotelung gerade die anwaltliche vertretene Partei dafür bestrafen, dass sie – wie es ihr zweifelsohne zusteht – eine anwaltliche Beratung in Anspruch genommen hat. Die Erstattungsfähigkeit eines Teils dieser Kosten würde allein von dem Zufall abhängig gemacht, ob die gegnerische Partei ebenfalls anwaltlich vertreten ist. Ein solche Gefahr könnte einer juristisch unbewanderten Partei aber den Weg zu einem Rechtsanwalt verbauen und damit der verfassungsrechtlich gewollten Rechtsschutzgleichheit zuwiderlaufen (vgl. LG Oldenburg, Urt. v. 29.9.2011 – 1 S 189/11, BeckRS 2012, 1814).
Zur Abrundung der Argumentation stellt das LG Köln noch dar, dass eine Kostenaufhebung zu widersprüchlichen Ergebnissen führt:
Schließlich ist darauf abzustellen, dass die Aufhebungslösung in einer Vielzahl von Fällen zu widersprüchlichen Ergebnissen führen würde. So wäre es möglich, dass eine nicht anwaltlich vertretene Partei wirtschaftlich besser gestellt würde, wenn sie zu 50 % unterliegt, als sie es wäre, wenn sie zu 60 % unterliegt. Solche unbilligen Ergebnisse können ohne Verstoß gegen des Wortlaut <sic> des § 92 I ZPO oder eklatante und kaum praktikable Systembrüche von der Aufhebungslösung nicht verhindert werden (vgl. hierzu ausf. Gemmer, NJW 2012, 3479).
Welcher Auffassung wir uns in einer Klausur anschließen, ist zweitrangig. Entscheidend ist, dass wir den Streitstand erkennen und argumentativ aufbereiten. Dazu gibt die zitierte Entscheidung des LG Köln eine gute Vorlage.
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