Die Bild-Zeitung hat Gregor Samimi (Anwalt für Strafrecht in Berlin) interviewt (u.a. zu Fragen des Notwehrrechts). Im Rahmen dieses Interviews hat Samimi (laut Bild-Zeitung) gesagt:
Das ist sehr weitgreifend, denn eine Verhältnismäßigkeit der Mittel ist nicht nötig. Ein beliebtes Beispiel aus dem Jurastudium: Wenn ich im Rollstuhl sitze und jemand klaut mir die Kirschen vom Baum, dann ist es Notwehr, wenn ich auf ihn schieße.
An ein sehr verwandtes Beispiel aus meiner Strafrechtsvorlesung kann ich mich noch erinnern. Ich meine aber, dass unser Strafrechtsprofessor anhand dieses Beispiels gerade eine Grenze des Notwehrrechts aufzeigen wollte. Es ist also nicht von dem Notwehrrecht gedeckt, wenn jemand aus dem Rollstuhl auf Kinder schießt, die Kirschen vom eigenen Kirschbaum klauen.
Mit diesem Beispiel soll nämlich eine sozialethische Grenze des Notwehrrechts veranschaulicht werden. Dazu schreibt Thomas Hochstein anschaulich:
Unter dem Gesichtspunkt eines „unerträglichen Missverhältnisses“ zwischen dem angegriffenen Rechtsgut des Verteidigers und dem durch die Verteidigung bedrohten Rechtsgut des Angreifers wird letztlich doch wieder eine – stark abgeschwächte – Form der Verhältnismäßigkeitsprüfung bzw. ein Übermaßverbot in das Notwehrrecht eingeführt, um zumindest schlechthin nicht mehr vertretbar erscheinende Auswüchse eines von Verhältnismäßigkeitserwägungen unberührten Notwehrrechts einzudämmen.
[…]
Wenn ein solches unerträgliches Missverhältnis zwischen dem angegriffenen Rechtsgut und dem durch die Verteidigungshandlung bedrohten Rechtsgut des Angreifers vorliegt, muss der Verteidiger sich auf andere, weniger wirksame Verteidigungsmaßnahmen beschränken und schlimmstenfalls den Eingriff in seine Rechte hinnehmen.
(Mit Verweis auf Fischer, StGB, § 32 StGB, Rn. 39).
Im Ergebnis sagt Hochstein zum „Kirschbaum-Fall“:
Die Tötung eines Kindes zur Verteidigung eines Handvoll Kirschen widerspricht allerdings nicht nur dem Rechtsempfinden, sondern auch der Werteordnung des Grundgesetzes in einem solchen Maß, dass die Beurteilung eines solchen Vorgehens als „rechtmäßig“ nicht mehr vertretbar erscheint.
Und damit war die Erinnerung an meine Strafrechtsvorlesung also doch korrekt :-).
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