In dem Leitfaden des Landes Brandenburg zur Verfassung von Examensarbeiten im Strafrecht heißt es:
Sofern nur der Verdacht wegen Privatklagedelikten (§ 374 StPO) besteht, hat er [der Staatsanwalt, M.H.] darüber zu befinden, ob ein besonderes öffentliches Interesse an der Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft besteht (§ 376 StPO). Sofern das besondere öffentliche Interesse besteht, erhebt er selbst Anklage. Andernfalls stellt er das Verfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO unter Hinweis auf den Privatklageweg ein.
Über welche Formulierung könnte man hier stolpern?
Exakt, es geht um den Unterschied zwischen „besonderem öffentlichen Interesse“ und „öffentlichem Interesse“.
In dem Leitfaden wird die These vertreten, dass ein Staatsanwalt bei dem Verdacht eines Privatklagedelikts darüber zu befinden hat, ob ein besonderes öffentliches Interesse an der Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft besteht.
Lesen wir dazu § 376 StPO:
Die öffentliche Klage wird wegen der in § 374 bezeichneten Straftaten von der Staatsanwaltschaft nur dann erhoben, wenn dies im öffentlichen Interesse liegt.
Erforderlich ist bei Privatklagedelikten für die Erhebung der öffentlichen Klage also ein „öffentliches Interesse“ und nicht ein „besonderes öffentliches Interesse“.
Aber woher kennen wir den Begriff des „besonderen öffentlichen Interesses“? Genau, von den relativen Antragsdelikten wie zum Beispiel § 303c StGB:
In den Fällen der §§ 303, 303a Abs. 1 und 2 sowie § 303b Abs. 1 bis 3 wird die Tat nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, daß die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.
Dass diese beiden Begriffe „öffentliches Interesse“ und „besonderes öffentliches Interesse“ nicht gleichgesetzt werden dürfen, bestätigt uns auch Graf im BeckOK, 01.01.2019, § 376 StPO, Rn. 3:
Der Begriff des öffentlichen Interesses iSd § 376 ist identisch mit dem des § 153 Abs. 1 S. 1 […].
Hiervon zu unterscheiden ist der (engere) Begriff des besonderen öffentlichen Interesses, bei dessen Vorliegen die Staatsanwaltschaft auch ohne Strafantrag des Verletzten ein relatives Antragsdelikt von Amts wegen verfolgen darf. Wird das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht, liegt darin zugleich das notwendige öffentliche Interesse iSd § 376 […].
Daraus folgt nun für unser Eingangszitat: Im Rahmen von § 376 StPO ist darüber zu befinden, ob ein öffentliches Interesse besteht. Dieses ist auf jeden Fall gegeben, wenn ein besonderes öffentliches Interesse bejaht werden kann. Allerdings ist ein besonderes öffentliches Interesse nicht zwingend notwendig – ein öffentliches Interesse genügt bereits.
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