Heute geht es mal wieder um Jura im Alltag. Ich bin von einer mir nahe stehenden Person gebeten worden, bei dessen Hausarzt ein Rezept abzuholen, um damit dann in der Apotheke ein Medikament zu erhalten. In der Apotheke ging ich wie selbstverständlich davon aus, dass nun von mir 5 Euro als Zuzahlung zu entrichten seien. Umso überraschter und erfreuter war ich, als mir der Apotheker einen Kassenbon überreichte, aus dem sich ergab, dass keine Zuzahlung fällig sei. Auf meine Rückfrage erklärte er, dass es sich wirklich nicht um einen Irrtum handele. Wie kann das sein?
Natürlich kann es dafür unterschiedliche Ursachen geben. Ich möchte heute aufzeigen, warum in meinem konkreten Fall keine Zuzahlung notwendig war. Ausgangspunkt der Suche ist § 61 SGB V:
Zuzahlungen, die Versicherte zu leisten haben, betragen 10 vom Hundert des Abgabepreises, mindestens jedoch 5 Euro und höchstens 10 Euro; allerdings jeweils nicht mehr als die Kosten des Mittels. Als Zuzahlungen zu stationären Maßnahmen und zur außerklinischen Intensivpflege in vollstationären Pflegeeinrichtungen, in Einrichtungen oder Räumlichkeiten im Sinne des § 43a des Elften Buches in Verbindung mit § 71 Absatz 4 des Elften Buches sowie in Wohneinheiten nach § 132l Absatz 5 Nummer 1 werden je Kalendertag 10 Euro erhoben. Bei Heilmitteln, häuslicher Krankenpflege und außerklinischer Intensivpflege an den in § 37c Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 genannten Orten beträgt die Zuzahlung 10 vom Hundert der Kosten sowie 10 Euro je Verordnung. Geleistete Zuzahlungen sind von dem zum Einzug Verpflichteten gegenüber dem Versicherten zu quittieren; ein Vergütungsanspruch hierfür besteht nicht.
Dieser Norm lässt sich kein Grund dafür entnehmen, weswegen in meinem konkreten Fall keine Zuzahlung zu leisten war. Die Lösung ist in § 31 Abs. 3 SGB V zu finden:
Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, leisten an die abgebende Stelle zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordneten Arznei- und Verbandmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag, jedoch jeweils nicht mehr als die Kosten des Mittels. Satz 1 findet keine Anwendung bei Harn- und Blutteststreifen. Satz 1 gilt auch für Medizinprodukte, die nach Absatz 1 Satz 2 und 3 in die Versorgung mit Arzneimitteln einbezogen worden sind. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen kann Arzneimittel, deren Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer mindestens um 30 vom Hundert niedriger als der jeweils gültige Festbetrag ist, der diesem Preis zugrunde liegt, von der Zuzahlung freistellen, wenn hieraus Einsparungen zu erwarten sind. Für andere Arzneimittel, für die eine Vereinbarung nach § 130a Abs. 8 besteht, kann die Krankenkasse die Zuzahlung um die Hälfte ermäßigen oder aufheben, wenn hieraus Einsparungen zu erwarten sind. Absatz 2 Satz 4 gilt entsprechend. Muss für ein Arzneimittel auf Grund eines Arzneimittelrückrufs oder einer von der zuständigen Behörde bekannt gemachten Einschränkung der Verwendbarkeit erneut ein Arzneimittel verordnet werden, so ist die erneute Verordnung zuzahlungsfrei. Eine bereits geleistete Zuzahlung für die erneute Verordnung ist dem Versicherten auf Antrag von der Krankenkasse zu erstatten.
Und damit war ich der Lösung in dieser ziemlich umfänglichen Norm ganz nahe gekommen. Die Lösung steht in folgendem Satz: „Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen kann Arzneimittel, deren Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer mindestens um 30 vom Hundert niedriger als der jeweils gültige Festbetrag ist, der diesem Preis zugrunde liegt, von der Zuzahlung freistellen, wenn hieraus Einsparungen zu erwarten sind.“
Jetzt galt es nur noch die entsprechende Befreiungsliste zu finden. Diese liegt hier, und zwar in zwei Formen:
- Übersicht zuzahlungsbefreiter Arzneimittel sortiert nach Arzneimittel-Name
- Übersicht zuzahlungsbefreiter Arzneimittel sortiert nach Wirkstoff
Und auf dieser Liste habe ich dann auch das Medikament entdeckt, das ich abzuholen beauftragt war. Und siehe da: Selbst ein Besuch in der Apotheke kann mit interessanten juristischen Erkenntnissen verbunden sein.
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