§ 278 BGB: Was wird hier zugerechnet?

§ 278 BGB ist eine Norm, der man im Studium immer wieder begegnet, ein alter Bekannter gewissermaßen. Schauen wir uns zunächst den Wortlaut der Vorschrift an:

§ 278 BGB: Verantwortlichkeit des Schuldners für Dritte

Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwendung.

Wenn wir jetzt an das Grundschema zur Prüfung von §§ 280 ff. BGB denken (Schuldverhältnis – Pflichtverletzung – Vertretenmüssen – Schaden), stellt sich die Frage: Auf welcher Ebene spielt § 278 BGB eine Rolle?

Die Frage kann einem so abstrakt in einer mündlichen Prüfung begegnen. Naheliegender ist es aber, dass uns diese Frage gar nicht ausdrücklich gestellt wird. Vielmehr werden wir häufig mit einem Fall konfrontiert sein und müssen selbst entscheiden, an welcher Stelle bzw. an welchen Stellen wir § 278 BGB „einfließen“ lassen.

Zunächst denkt man natürlich an den Prüfungspunkt des Vertretenmüssens. Das ist richtig, aber nicht die einzige Stelle im Prüfungsaufbau, an der § 278 BGB relevant wird. Vorgelagert, also vor der Prüfung des Vertretenmüssens, stellt sich nämlich die Frage, ob eine Pflichtverletzung gegeben ist. Auch diese kann über § 278 BGB zugerechnet werden:

IV. Die Haftung für Erfüllungsgehilfen und gesetzliche Vertreter

1. Allgemeines

a) Struktur des § 278

Zugerechnet wird nicht nur das Verschulden, sondern das gesamte Verhalten des Erfüllungsgehilfen bzw. gesetzlichen Vertreters. Das bedeutet, dass auch die Pflichtverletzung des Schuldners mit dem Verhalten des Erfüllungsgehilfen oder gesetzlichen Vertreters begründet werden kann, obwohl Letzteren selbst keine Pflichten gegenüber dem Gläubiger treffen.

Looschelders, Schuldrecht: Allgemeiner Teil, 18. Aufl. 2020, § 23 Rn. 34

Das leuchtet auch unmittelbar ein: Denn ohne die Bejahung einer Pflichtverletzung können wir das Vertretenmüssen mit Blick auf gerade diese Pflichtverletzung ja gar nicht prüfen.

3 comments

  1. 123 sagt:

    Muss man das nicht im Sinne eines „das kommt drauf an“ relativieren? M.E. bedeutet „Pflichtverletzung“ nicht dasselbe wie „pflichtwidriges Verhalten des Schuldners als Person“. „Pflichtverletzung“ bedeutet vielmehr objektive Abweichung des Ist-Zustands vom Soll-Zustand, wobei der Soll-Zustand durch das nach dem Schuldverhältnis bestehende „Pflichtenprogramm“ des Schuldners definiert wird. Bei erfolgsbezogener Hauptleistungspflicht (= i.d.R.) ist danach auch die Pflichtverletzung erfolgsbezogen (z.B. beim Kauf: Pflichtverletzung des Verkäufers [+], wenn Eigentum oder Besitz nicht übergegangen sind oder wenn ein Sachmangel vorliegt (s. § 433 I 1, 2 BGB)). Ob das auch an einem sorgfaltspflichtwidrigen Verhalten des Verpflichteten liegt, gehört nicht zur Pflichtverletzung, sondern zum Vertretenmüssen (was nicht zuletzt für die Beweislastverteilung wichtig ist und einen Unterschied macht). Erfolgsbezogen können auch Schutzpflichten sein, etwa wenn ein Geschäftsinhaber den für die Kunden ungefährlichen Zustand der Geschäftsräume gewährleisten muss. Hat ein Erfüllungsgehilfe die Ursache für die Pflichtverletzung gesetzt, benötigen wir die Zurechnungsnorm des § 278 BGB in beiden Fällen folgerichtig eben nicht für die Begründung der Pflichtverletzung (des Geschäftsherrn), sondern erst im Rahmen der Prüfung des Vertretenmüssens.

    • klartext-jura sagt:

      Danke für die ausführliche Präzisierung!

    • Marius sagt:

      Kurz gesagt. Wenn die Pflicht die Herstellung eines Zustandes verlangt, ist die Unterlassung verboten. Logischerweise ist bei Nicht-Eintritt des Zustandes eine Pflichtverletzung gegeben, da ja der Schuldner zur Herstellung verpflichtet ist.

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