In zahlreichen Klausuren muss man zu der Frage nach der sachlichen Zuständigkeit Stellung beziehen. Es handelt sich gewissermaßen um einen „Klausurklassiker“. Bei der Prüfung der sachlichen Zuständigkeit tauchen dann Vorschriften aus dem Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) auf. Zu denken ist beispielsweise an § 23 GVG
Die Zuständigkeit der Amtsgerichte umfaßt in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, soweit sie nicht ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes den Landgerichten zugewiesen sind: […]
oder an § 71 GVG:
(1) Vor die Zivilkammern, einschließlich der Kammern für Handelssachen, gehören alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die nicht den Amtsgerichten zugewiesen sind.
(2) Die Landgerichte sind ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes ausschließlich zuständig […]
Aber sollte man bei diesem Sprung in das GVG nicht noch etwas mitnehmen?
Genau, wir brauchen zusätzlich noch eine Vorschrift, die uns den Weg in das GVG überhaupt erst eröffnet, also eine Verweisungsnorm. Diese Brückenfunktion erfüllt § 1 ZPO:
Die sachliche Zuständigkeit der Gerichte wird durch das Gesetz über die Gerichtsverfassung bestimmt.
Zahlreiche veröffentlichte Musterlösungen zeigen, dass es erwartet wird, § 1 ZPO mit zu zitieren. Hier einmal drei Beispiele:
Beispiel 1:
sachliche Zuständigkeit (§ 1 ZPO iVm §§ 23, 71 GVG für erstinstanzliche Zivilsachen)
Arz, JuS 2022, 321, 323
Beispiel 2:
I muss daher die Klage als Leistungsklage beim zuständigen LG gem. § 1 ZPO iVm §§ 23 Nr. 1, 71 GVG erheben.
Wilke, JA 2019, 172, 175
Beispiel 3:
Für alle Anträge ist das AG Cham nach §§ 12, 13 ZPO örtlich und nach § 1 ZPO, §§ 23 Nr. 1, 71 I GVG sachlich zuständig.
Gietl, JuS 2017, 453, 457
Wir merken uns also: Wenn wir die sachliche Zuständigkeit untersuchen wollen, „springen“ wir nicht gleich in das GVG, sondern beschreiten die Brücke des § 1 ZPO :-).
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