Juristische Fragestellungen bei „Wer wird Millionär“ sind immer so eine Sache. Vor ein paar Wochen stand folgende Aufgabe zur Debatte: „Worum geht es bei ‚ius soli‘, dem ‚Recht des Bodens‘, und ‚ius sanguinis‘, dem ‚Recht des Blutes‘?“ Als Antwortmöglichkeiten waren vorgegeben:
A) Staatsbürgerschaft
B) Erbschaft
C) Notwehr
D) Einkommenssteuer
Was ist wohl die richtige Antwort?
Die Kandidatin antworte zunächst wie folgt: „Ich kann mir eigentlich nur Staatsbürgerschaft vorstellen.“ Allerdings entschied sich die Kandidatin, zur Sicherheit ihren Vater zu konsultieren, schließlich habe er Jura studiert und sei mittlerweile Notar. Der Jurist antwortete dann: „Ja, Erbrecht zu 75 Prozent.“ Und – anders als man ihm vorwirft – seine Antwort war gar nicht so falsch. Denn im internationalen Erbrecht kann das Erbrecht von der Staatsangehörigkeit abhängen. Dazu ein Beispiel: Artikel 4 der Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO) regelt die allgemeine Zuständigkeit bei Entscheidungen in Erbsachen. Dort heißt es:
Für Entscheidungen in Erbsachen sind für den gesamten Nachlass die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dessen Hoheitsgebiet der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.
Bei der Frage, wie der gewöhnliche Aufenthalt zu bestimmen ist, kommt nun der Aspekt der Staatsangehörigkeit ins Spiel. Denn dazu sagt Erwägungsgrund 24:
War der Erblasser ein Staatsangehöriger eines dieser Staaten oder hatte er alle seine wesentlichen Vermögensgegenstände in einem dieser Staaten, so könnte seine Staatsangehörigkeit oder der Ort, an dem diese Vermögensgegenstände sich befinden, ein besonderer Faktor bei der Gesamtbeurteilung aller tatsächlichen Umstände sein.
Und damit ist erwiesen, dass die Staatsangehörigkeit – und damit die Begriffe „ius sanguinis“ und „ius soli“ – auch im Erbrecht in bestimmten Konstellationen von Bedeutung sein können. Wem dieser argumentative Ansatz als Begründung zu indirekt ist, kann auch gleich auf Artikel 10 der Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO) zurückgreifen. Dort ist die Staatsangehörigkeit sogar ausdrücklich eine tatbestandliche Voraussetzung.
Im Grunde liegt das Problem bei der ungenauen Fragestellung der Aufgabe. „Worum geht es bei …“ ist einfach juristisch nicht präzise genug, um die Antwort „Erbschaft“ als falsch zu qualifizieren.
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