Eine aktuelle Berichterstattung mit dem Titel „Cathy Schummels und die Doktor-Lüge über ihren Bruder“ soll heute Anlass sein, über eine strafrechtliche Fragestellung nachzudenken. Es soll nicht in faktischer Hinsicht darum gehen, ob der Bruder von Cathy Hummels einen Doktor-Titel geführt hat, den er nicht hätte führen dürfen. Vielmehr steht der entsprechende Straftatbestand im StGB im Mittelpunkt der Betrachtung. Dabei kann man sich dann mit einem Einwand auseinandersetzen, den man zur Verteidigung vorbringen könnte, wenn einer Person die Verwirklichung des entsprechenden Straftatbestands vorgeworfen wird. Es geht um § 132a Abs. 1 Nr. 1 StGB (Mißbrauch von Titeln, Berufsbezeichnungen und Abzeichen):
(1) Wer unbefugt
- inländische oder ausländische Amts- oder Dienstbezeichnungen, akademische Grade, Titel oder öffentliche Würden führt,
Wie könnte man sich hier verteidigen, wenn man einen (gemeint ist: genau einen) Doktortitel führt, den man eigentlich nicht führen dürfte.
Genau, man könnte sehr präzise auf den Wortlaut von § 132a Abs. 1 Nr. 1 StGB abstellen und vorbringen, dass man doch nur einen Titel unbefugt geführt habe, der entsprechende Straftatbestand aber im Plural formuliert sei und damit voraussetze, dass man mehrere Titel unbefugt geführt habe.
Der Gesetzgeber formuliert im StGB aber häufig im Plural, ohne dass die Verwirklichung des entsprechenden Straftatbestands dies erfordert. Um ein weiteres Beispiel zu nennen:
§ 306 StGB: Brandstiftung
(1) Wer fremde
1. Gebäude oder Hütten,
2. Betriebsstätten oder technische Einrichtungen, namentlich Maschinen,
3. Warenlager oder -vorräte,
4. Kraftfahrzeuge, Schienen-, Luft- oder Wasserfahrzeuge,
5. Wälder, Heiden oder Moore oder
6. land-, ernährungs- oder forstwirtschaftliche Anlagen oder Erzeugnissein Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.
Selbstverständlich macht sich auch derjenige nach § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar, der nicht mehrere Gebäude, sondern nur ein Gebäude in Brand gesetzt hat. Das bringt Herzberg pointiert wie folgt zum Ausdruck:
Wer § 306 StGB liest, findet es nahezu selbstverständlich, dass schon ein einziges Tatobjekt der jeweils bezeichneten Art für den Tatbestand genügt und der Gesetzgeber nur um der sprachlichen Vereinfachung willen in den Plural ausgewichen ist (er hätte nämlich sonst zwölfmal den unbestimmten Artikel „ein”, „eine” oder „einen” gebrauchen müssen). Niemand würde jemals im alltäglichen Umgang mit anderen auch schon ein einziges Auto als „Kraftfahrzeuge” bezeichnen, aber jeder versteht sofort, dass das Wort in § 306 StGB genau so – die Einzahl umfassend – gemeint ist.
(Herzberg, JuS 2005, 1, 2 f.)
Aus alledem folgt: Nicht erst das unbefugte Führen mehrerer Titel ist strafbar, sondern schon das unbefugte Führen eines Titels: Dr. Dr. muss es nicht sein, Dr. genügt.
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