„Die größten Ehe-Irrtümer“?

Das SAT1 Frühstücksfernsehen hat mit einer Anwältin zum Thema „Die größten Ehe-Irrtümer – so ändert sich die Rechtslage“ gesprochen. Ausgangspunkt war u.a. folgende Zuschauerfrage:

Frage einer Zuschauerin: „Wenn ein Partner in der Ehe einen Kredit aufnimmt, die Ehe geschieden wird und der Kreditnehmer aufhört zu arbeiten, muss dann der Partner, der noch in Arbeit steht, dafür aufkommen?“

Daraufhin hat die Anwältin wie folgt geantwortet:

Ja, auch bei Schulden, da muss man sagen, jeder trägt seine Schulden. Da ändert auch die Heirat jetzt nichts dran grundsätzlich. Ja, ich hafte jetzt nicht automatisch durch die Heirat für die Schulden des anderen. Aber – ganz klar: Wenn ich natürlich etwas unterschreibe, ja, und selber dann in der Haftung bin und der andere fällt dann aus. Dann muss ich auch, das nennt sich dann Gesamtschuldnerhaftung, ja, dann muss auch für den Teil des anderen haften. Und deswegen sage ich immer: Bitte, bitte. Ganz vorsichtig, wenn man etwas unterschreibt, ja, oder auch wenn man, ja, zum Beispiel eben auch einen Kreditvertrag unterschreibt für den anderen noch mit. Dann sind das hinterher die eigenen Schulden, ja.

Die Moderation sagte dann:

Aber wenn der Partner diesen Kredit allein aufgenommen hat, dafür unterschrieben, dann ist es seins.

Daraufhin die Anwältin:

Genau.

Die Moderatorin:

Richtig.

Die Anwältin:

Das ist richtig.

Und abschließend die Moderatorin:

Ich habe schon viel gelernt heute.

Kann es nicht sein, dass ein Ehegatte auch ohne Unterschrift für die Schulden des anderen Ehegatten haftet?

Ja, das ist auf der Basis von § 1357 BGB (Geschäfte zur Deckung des Lebensbedarfs) möglich:

(1) Jeder Ehegatte ist berechtigt, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten zu besorgen. Durch solche Geschäfte werden beide Ehegatten berechtigt und verpflichtet, es sei denn, dass sich aus den Umständen etwas anderes ergibt.

(2) Ein Ehegatte kann die Berechtigung des anderen Ehegatten, Geschäfte mit Wirkung für ihn zu besorgen, beschränken oder ausschließen; besteht für die Beschränkung oder Ausschließung kein ausreichender Grund, so hat das Familiengericht sie auf Antrag aufzuheben. Dritten gegenüber wirkt die Beschränkung oder Ausschließung nur nach Maßgabe des § 1412.

(3) Absatz 1 gilt nicht, wenn die Ehegatten getrennt leben.

Wenn also ein Ehegatte Verbindlichkeiten eingeht, die als Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie qualifiziert werden können, so haftet der andere Ehegatte auch dann, wenn er nichts unterschrieben hat. § 1357 BGB gilt im Übrigen für alle Güterstände. Der Ausnahmetatbestand des § 1357 Abs. 2 BGB erlangt in der Praxis kaum Bedeutung.

3 comments

  1. Anton sagt:

    Die Haftung aus § 1357 BGB gilt bezogen auf Kreditverträge jedoch nur in Einzelfällen, wenn eine unmittelbare Bedarfsdeckung vorliegt. Dies kann der Fall sein, wenn etwas in der Form des verbundenen Geschäftes auf Kredit gekauft wird, für das der Ehegatte auch bei Kauf auf Rechnung haften müsste.
    Die Beschaffung von Finanzmitteln ist dagegen grundsätzlich keine Bedarfsdeckung, auch nicht wenn der Kredit zur Deckung des Lebensbedarfes verwendet werden soll oder tatsächlich verwendet wird (BeckOGK/Erbarth, BGB § 1357 Rn. 129 ff. m.w.N.).

    • klartext-jura sagt:

      So ist es. Das wollte ich mit der Formulierung „Verbindlichkeiten […], die als Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie qualifiziert werden können“ zum Ausdruck bringen. Aber danke für die Anmerkung!

  2. Hallo zusammen,

    dogmatisch gilt die von Anton angemerkte Restriktion allerdings vollumfänglich auf den gesamten Anwendungsbereich des § 1357 BGB, nicht nur im Bereich von Kreditverträgen.

    Es hat folglich hinsichtlich der Frage, ob eine wirksame Mitverpflichtung begründet wurde, stets (!) eine „doppelte Angemessenheitsprüfung“ stattzufinden.

    1. Angemessenheit des Geschäftes seinem Umfang nach (so weit so gut).
    2. Angemessenheit des Lebensbedarfs, in dessen Rahmen das (der Höhe nach angemessene) Geschäft stattfindet.

    dazu MüKo: „jeder Ehegatte sollte auch außergewöhnliche Geschäfte vornehmen können, die keinen Aufschub dulden, zB die Unterbringung eines Kindes im Krankenhaus. Das Mitvertretungsrecht sei jedoch zu begrenzen auf Geschäfte, „die zur sachgerechten Sicherung des angemessenen Lebensbedarfs notwendig sind: Geschäfte größeren Umfangs, die ohne Schwierigkeiten zurückgestellt werden können, sollen nicht darunter fallen“
    (MüKoBGB/Roth, 9. Aufl. 2022, BGB § 1357 Rn. 17, beck-online)

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