Archiv für Öffentliches Recht

§ 78 VwGO: Wo kommt der Klagegegner in die Prüfung?

Mit § 78 VwGO hat man als Studierender so seine Schwierigkeiten in Klausuren. Jochen Rozek, JuS 2007, 601 schreibt dazu:

Bei der Untersuchung der Erfolgsaussichten einer verwaltungsgerichtlichen Klage besteht unter Studenten in der Fallbearbeitung immer wieder Unsicherheit darüber, an welcher Stelle des Klausuraufbaus auf den richtigen Klagegegner einzugehen ist. Dies ist angesichts divergierender Empfehlungen in der Ausbildungsliteratur nicht ganz unverständlich. Im Anwendungsbereich des § 78 VwGO spielt die umstrittene Frage eine zentrale Rolle, ob § 78 VwGO als eine Regelung der passiven Prozessführungsbefugnis (Zulässigkeitsaspekt) oder der Passivlegitimation (Begründetheitselement) zu verstehen ist.

Über diese Grundsatzdiskussion möchte ich heute aber nicht schreiben, denn letztlich scheinen hier örtliche Bräuche die jeweilige Behandlung nahe zu legen. Wenn man – wie im Saarland üblich – den Klagegegner im Rahmen der Zulässigkeit prüft, sollte man aber darauf achten, dass ein logischer Fehler vermieden wird.

Betrachten wir dazu die Fall-Lösung von Bernd J. Hartmann und Michael Sendt in der JuS 2012, 917 (919f):

V. Beteiligungs- und Prozessfähigkeit

N ist als Kl., S. als Bekl. gem. § 63 Nr. 1 bzw. 2 VwGO beteiligt. N ist als natürliche Person gem. § 61 Nr. 1 Var. 1 VwGO beteiligten- und gem. § 62 I Nr. 1 VwGO prozessfähig, S. als juristische Person des öffentlichen Rechts gem. § 61 Nr. 1 Var. 2 VwGO beteiligten- und als Vereinigung gem. § 62 III VwGO prozessfähig. Sie wird gem. § 42 I 2 BadWürttGemO durch den Oberbürgermeister (vgl. § 42 IV BadWürttGemO) der Großen Kreisstadt S. vertreten.

Erst nach der Prüfung der Beteiligungs- und Prozessfähigkeit widmen sich die Autoren dem Klagegegner:

VI. Klagegegner

Mangels einschlägigen Landesrechts i. S. von § 78 I Nr. 2 VwGO muss N nach Nr. 1 dieser Vorschrift jene Körperschaft, deren Behörde den angefochtenen VA erlassen hat, verklagen. Die Baugenehmigung des B hat der Oberbürgermeister erteilt. Als Rechtsträgerin ist S. also die richtige Klagegegnerin.

Was spricht gegen diesen Prüfungsaufbau?

Weiterlesen

Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts für Individualverfassungsbeschwerden

Es gibt Sätze, die jeder Jura-Studierende einmal in einer Klausur niederschreiben muss. Dazu gehört sicherlich auch das Thema „Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts für Individualverfassungsbeschwerden“.

Christian Thomas formuliert dazu in der JA 2015, 366 so:

Gemäß Art. 93 I Nr. 4 a GG, §§ 13 Nr. 8 a, 90 ff. BVerfGG ist das Bundesverfassungs­gericht für die Verfassungsbeschwerde zuständig.

Kerber/Spethmann/Starbatty/Stauffenberg, Der Kampf um den Lissabon-Vertrag, 2010, S. 314 schreiben hingegen wie folgt:

Das Bundesverfassungsgericht ist gem. Art. 93 I Nr. 4a GG, § 13 Nr. 8a, §§ 90, 92ff BVerfGG für Individualverfassungsbeschwerden zuständig.

Die Frage, die sich uns nun stellt: Welche Variante eignet sich für unsere Klausuren? Zunächst sollten wir die Unterscheide zwischen den beiden Normzitaten herausarbeiten. Dabei handelt sich um zwei Unterschiede. Welche?

Weiterlesen

Die Kunstfreiheit als vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht

Die Grundrechte begleiten uns vom Anfang des Studiums bis hin zum Examen. Deshalb heute ein paar Worte zu der Fall-Lösung von Schmidt am Busch/Gregor in der JuS 2015, 37ff. Dort heißt es auf Seite 38 im Rahmen der gutachterlichen Vorüberlegungen:

Da die Kunstfreiheit des Art. 5 III 1 Var. 1 GG ein vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht ist, unterliegt sie lediglich verfassungsimmanenten Schranken, dh sie kann nur durch ein Gesetz eingeschränkt werden, das den Schutz eines Verfassungsrechtsguts verfolgt.

In Fußnote 13 steht:

Näher Hufen, StaatsR II – Grundrechte, 4. Aufl. 2014, § 33 Rn. 27 ff.

In der Fall-Lösung selbst kann man dann auf Seite 40 lesen:

Bei Art. 5 III 1 Var.1 GG handelt es sich um ein vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht, so dass die Kunstfreiheit lediglich verfassungsimmanenten Schranken unterliegt.

Herbst-ImpressionNatürlich ist das im Ergebnis richtig. Es ist aber zu befürchten, dass in einer Klausur-Lösung eine etwas ausführlichere Behandlung der Thematik erwartet wird.

Welche Überlegungen könnte man in einer Klausur kurz ansprechen, bevor man sich auf die verfassungsimmanenten Schranken beruft?

Weiterlesen

Art. 93 I Nr. 1 GG – § 63 BVerfGG

In der JA 2014, 950ff bespricht Hillgruber das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Juni 2014 (Az 2 BvE 2/09, 2 BvE 2/10). Dabei stellt sich eine immer wieder in Klausuren auftauchende verfassungsprozessuale Frage.

Zunächst zu der für uns entscheidenden Passage des Sachverhalts auf Seite 951:

Der Antragsteller sowie die Beigetretenen im Organstreitverfahren waren Mitglieder der 13. und 14. Bundesversammlung im Jahre 2009 und 2010.

Dann wendet sich Hillgruber auf Seite 952 der Parteifähigkeit der Antragsteller zu:

Mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Parteifähigkeit von Bundestagsabgeordneten ist jedoch anzunehmen, dass der Antragsteller als Mitglied der Bundesversammlung wenn nicht Organteil, so jedenfalls „anderer Beteiligter“ iSv Art. 93 I Nr. 1 GG ist. Die Bundesversammlung ist oberstes Bundesorgan iSd Art. 93 I Nr.1 GG.

Dann problematisiert der Autor, wie die Diskrepanz zwischen § 63 BVerfGG und Art. 93 I Nr. 1 GG zu lösen ist:

Dass andere Beteiligte in der Aufzählung des § 63 BVerfGG nicht enthalten sind, ist unerheblich, weil die Vorschrift die verfassungsrechtliche Vorgabe des Art. 93 I Nr. 1 GG nicht abschließend umsetzt.

(In Fußnote 4 erfolgt ein Lesehinweis zu der Frage der möglichen Verfassungswidrigkeit von § 63 BVerfGG: „Auf eine etwaige Verfassungswidrigkeit der §§ 63 ff. BVerfGG kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden, vgl. aber Hillgruber/Goos/Goos aaO Rn. 308 ff.“).

Dabei betont Hillgruber die praktische Konsequenz der Einordnung eines Antragstellers zu § 63 BVerfGG bzw zu Art. 93 I Nr. 1 GG:

Im Umkehrschluss zu § 64 BVerfGG sind die anderen Beteiligten aber nur parteifähig, sofern sie eigene Rechte geltend machen.

Bis hierhin haben wir also gelernt, dass wir den Antragsteller entweder § 63 BVerfGG oder Art. 93 I Nr. 1 GG zuordnen müssen. Auch wissen wir, dass die Zuordnung Konsequenzen hat: Nur für Antragsteller, deren Parteifähigkeit über § 63 BVerfGG bejaht werden kann, besteht die Möglichkeit der Prozessstandschaft nach § 64 BVerfGG.

Hillgruber/Goos, Verfassungsprozessrecht, 2011, § 4 Rn. 381 formulieren das auch sehr verständlich:

Die §§ 63, 64 Abs. 1 BVerfGG stellen zusammen die vom BVerfG geforderte gesetzliche Zulassung der Prozessstandschaft dar. Nicht gesetzlich ermächtigt zur Geltendmachung von Gesamtorganrechten sind daher Antragsteller, deren Parteifähigkeit nur durch Rückgriff auf Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG begründet werden kann. Verfassungsrechtlich geboten ist nur, dass diese Antragsteller ihre eigenen Rechte, nicht aber, dass sie auch fremde Rechte durchsetzen können.

Jetzt lesen wir die Fall-Besprechung in der JA 2014, 950 (952) weiter:

Die Antragsbefugnis im Organstreitverfahren hängt davon ab, ob der Antragsteller geltend machen kann, dass er oder das Organ, dem er angehört (hier: Bundesversammlung), durch den Angriffsgegenstand „in seinen ihm durch das GG übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet“ (vgl. § 64 I BVerfGG) ist.

Hier bin ich hängen geblieben.

Weiterlesen

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH)

Heute soll es um eine Frage gehen, die in der mündlichen Prüfung gestellt werden könnte. Angesichts der zunehmenden Bedeutung des Europarechts ist in der mündlichen Prüfung immer mit Fragen zur Rolle des EuGH zu rechnen. Dazu schreiben Pötters/Werkmeister, Basiswissen Jura für die mündlichen Prüfungen, 4. Auflage 2015, S. 38:

6. Der EuGH

Sitz: Luxemburg

Aufgabe: Der „Gerichtshof der Europäischen Union“ (EuGH) wacht als oberstes Gericht über die Einhaltung der Verträge, s. Art. 19 Abs. 1 S. 2 EUV. Zur Entlastung des EuGH wurde 1989 das Gericht der Europäischen Union (vor Lissabon: Europäisches Gericht erster Instanz, kurz EuG) geschaffen.

Sollte man so über den „Gerichtshof der Europäischen Union“ sprechen?

Weiterlesen