Archiv für Öffentliches Recht

Konkrete oder abstrakte Betrachtungsweise?

Heute schaue ich mir wieder einmal den Beitrag von Cathrin Mächtle „Das Vorabentscheidungsverfahren“ in der JuS 2015, 314ff an. Auf Seite 315 heißt es:

Dagegen haben letztinstanzlich entscheidende Gerichte kein Ermessen, ob sie eine Frage dem EuGH vorlegen. Gerichte, gegen deren Entscheidung es im konkreten Instanzenzug kein Rechtsmittel mehr gibt, sind nach Art. 267 III AEUV verpflichtet, Fragen zur Auslegung und zur Gültigkeit von EU-Recht vorzulegen (obligatorische Vorlagepflicht).

In der Fußnote 22 steht:

Zum Begriff des letztinstanzlich entscheidenden Gerichts EuGH, C-416/10, ECLI:EU:C:2013:8 = NVwZ 2013, 347 – Križan u. a.

Damit wird ein sehr klausurrelevantes Problem nur angedeutet. Leser erkennen so möglicherweise nicht, dass an dieser Stelle in einer Klausur ein kleiner Streitentscheid erforderlich ist.

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Was bedeutet „Schrittgeschwindigkeit“?

Kostenlose juristische Aufklärung bekommt man in den Mitteilungsblättern der Stadt, in meinem Fall den „Blieskasteler Nachrichten“. In der Ausgabe vom 4. September 2015 (Nr. 36/2015) findet man in diesem Sinne einen Hinweis zur Schrittgeschwindigkeit (S. 5):

Unangepasste Geschwindigkeit in verkehrsberuhigten Bereichen

Aufgrund von vermehrten Beschwerden aus der Bevölkerung, macht das Ordnungsamt auf folgende Rechtslage aufmerksam:
In einem verkehrsberuhigten Bereich (blaue Schilder mit Personen, Auto und Haus) dürfen Fußgänger die gesamte Straße benutzen. Fahrzeuge dürfen in diesem Bereich nur mit Schrittgeschwindigkeit (max. 7 km/h) fahren. Bei allgemeinen Geschwindigkeitsmessungen wurde mehrfach festgestellt, dass diese Geschwindigkeit fast immer überschritten wird. Bisher kam es noch nicht zu Geschwindigkeitskontrollen in diesem Bereich.
Die Autofahrer werden gebeten, dort nicht schneller als Schrittgeschwindigkeit zu fahren.

[…]

Das Ordnungsamt appelliert an die Fahrzeugführer, sich an die vorgegebene Geschwindigkeit zu halten.

Erinnerungen an die Fahrschulzeit werden wach. Hatte nicht der Fahrlehrer beim Durchfahren des nächsten verkehrsberuhigten Bereichs etwas von 7 – 12 km/h gesagt? Oder sollte man „Schrittgeschwindigkeit“ wörtlich nehmen, was dann auf ca. 4 km/h hinausliefe?

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Bedingungsfeindlich, unwiderruflich, unanfechtbar: Umkehrschluss richtig?

DreiklangTristan Barczak schreibt in der JA 2014, 778ff über „Klageänderung, Klagerücknahme und Erledigung des Rechtsstreits im verwaltungsgerichtlichen Verfahren“. Obwohl der Aufsatz in der Kategorie „Übungsblätter Referendare“ steht, handelt es sich um einen Text, der zugleich für Studenten verständlich und nachvollziehbar geschrieben ist. Insbesondere die Bezüge zur ZPO helfen, die entsprechenden Rechtsinstitute auch in diesem Kontext zu wiederholen.

In Bezug auf einen Punkt hat mich der Aufsatz allerdings etwas verunsichert. Dazu die folgenden Zitate:

Auf Seite 780 steht zur Klageänderung:

Die Einwilligung ist als Prozesshandlung unwiderruflich und bedingungsfeindlich; […].

Danach heißt es, ebenfalls auf Seite 780, zur Klagerücknahme:

Bei der Klagerücknahme handelt es sich um eine bedingungsfeindliche, unwiderrufliche und unanfechtbare Prozesshandlung

Und dann auf Seite 782 zur übereinstimmenden Erledigungserklärung:

Die Erledigungserklärung ist als Prozesshandlung unanfechtbar und bedingungsfeindlich – sie kann insbes. nicht hilfsweise abgegeben werden –, jedoch solange widerruflich, wie sich der Beklagte ihr nicht angeschlossen hat, da bis zu diesem Zeitpunkt die Prozesslage noch nicht abschließend mit konstitutiver Wirkung umgestaltet ist.

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Verkekst uns die FAZ?

ClownIn mündlichen Prüfungen wird, wenn es um einen Bezug zum Europarecht geht, einleitend gern gefragt (ich schreibe hier aus Erfahrung), worin der Unterschied zwischen einer Richtlinie und einer Verordnung besteht. Für die Antwort sollte man sich auf Artikel 288 AEUV beziehen, in dem es heißt:

[…]

Die Verordnung hat allgemeine Geltung. Sie ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Die Richtlinie ist für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel.

[…]

Richtlinien bedürfen also der Umsetzung, Verordnungen nicht.

Dieses Thema spielt heute in der FAZ in dem Artikel „Die neue Welt der Cookie-Warnhinweise“ eine Rolle (18.08.2015, S. 23).

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Gib‘ mir meine Legaldefinitionen!

BeschwingtDass gedruckte Gesetzessammlungen manchmal nur Auszüge relevanter Gesetzestexte beinhalten können, leuchtet ja ein, wenn man die Fülle der einschlägigen Gesetze und die zur Verfügung stehende Seitenzahl betrachtet. Selbst wenn man dieses Verständnis auch auf die Sammlung „Datenschutzrecht“ (Beck-Texte im dtv, 7. Auflage 2015) überträgt, lässt sich doch die Weisheit der Entscheidung bezweifeln, im Telekommunikationsgesetz (TKG; in der Sammlung die Nummer 9, ab Seite 127) den Paragraphen 1 (Zweck des Gesetzes), den Paragraphen 2 (Regulierung, Ziele und Grundsätze) und den Paragraphen 3 (Begriffsbestimmungen) wegzulassen.

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