Archiv für Öffentliches Recht

Kleine Ursache mit Wirkung? Oder: Eine Geschichte, die das Prüfungsleben schrieb

AnanasVor Kurzem habe ich in einer mündlichen Prüfung im Rahmen meines Masters Folgendes erlebt.

Beim Prüfungsgespräch über ein datenschutzrechtliches Thema tauchte die Frage auf, wo das Recht auf informationelle Selbstbestimmung seine Verankerung im Grundgesetz hat. Ein Kandidat antwortete:

Art. 1 Abs. 2 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG.

Das war natürlich für den Prüfer eine Überraschung, weil er mit einer anderen Reihenfolge und einer anderen Zitierweise bezogen auf Artikel 1 (Absatz 1 und nicht Absatz 2) gerechnet hatte.

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Eine Pressemitteilung ist kein Beschluss

Aktuell berichtet der Deutschlandfunk im Internet:

Pressevertreter haben keinen Anspruch darauf, dass ihnen der Bundesnachrichtendienst Auskunft über die umstrittene NSA-Spionageliste gibt.

Und fährt dann fort:

Das entschied das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. In der Begründung der Richter heißt es, einer Offenlegung stünden berechtigte schutzwürdige Interessen des BND entgegen. Ein Anspruch auf Auskunft ergebe sich nicht aus dem Grundrecht der Pressefreiheit.

Auch das Aktenzeichen wird mit angegeben:

6 VR 1.15

Da sollte man ja nun meinen, es gäbe schon eine „Begründung der Richter“.

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Auslegung im Verwaltungsrecht

In der Klausur C 499 des Klausurenkurses von Alpmann Schmidt heißt es:

Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Verwaltungsgericht gemäß § 88 Hs. 2 VwGO in Bezug auf die Ermittlung der statthaften Klageart nicht an die Fassung der Anträge gebunden ist. Sofern der Klageantrag im Hinblick auf das Begehren des Klägers nicht eindeutig ist, kann das Verwaltungsgericht diesen vielmehr gemäß § 130 BGB analog auslegen und ggf. sogar gemäß § 140 BGB analog umdeuten.

Für Klausuren sollte man diesen Gedankengang noch etwas verfeinern.

Der zitierte Paragraph § 130 BGB hat die amtliche Überschrift:

Wirksamwerden der Willenserklärung gegenüber Abwesenden

Das kann nicht gemeint sein.

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Bauliche Anlage nach Landes- und Bundesrecht

Bei David Anders in der JuS 2015, 604 in dem Aufsatz „Der Umfang der Rechtmäßigkeitsprüfung im Baugenehmigungsverfahren“ lesen wir:

Eine bauliche Anlage ist jede mit dem Erdboden fest verbundene oder aus eigener Kraft darauf stehende, aus Bauprodukten hergestellte Anlage (vgl. zB § 2 I 1 und 2 SächsBO). Für das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren und das (volle) Baugenehmigungsverfahren bedarf es zudem einer bodenrechtlichen Relevanz des Bauvorhabens nach § 29 I BauGB.

BaulicheAnlageAnders weist uns also darauf hin, dass in den Landesbauordnungen eine Legaldefinition der baulichen Anlage zu finden ist.

(Aktuell in allen Bundesländern in § 2 der jeweiligen Landesbauordnung, vgl dazu bei Saarheim – LBO).

Außerdem schreibt Anders, dass im Rahmen von § 29 I BauGB zusätzlich („zudem“) zu der aus der SächsBO übernommenen Definition eine bodenrechtliche Relevanz nach § 29 I BauGB erforderlich sei. Damit wird de facto der landesrechtliche Begriff der baulichen Anlage in der Prüfung von § 29 I BauGB weiterverwendet und das ist problematisch.

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1 Monat = 30 Tage ?

Immer wieder ist in juristisch relevanten Texten von Fristen die Rede. So auch in dem folgenden Text von Krajewski, Wirtschaftsvölkerrecht, 3. Auflage 2012, S. 73:

Das Streitbeilegungsverfahren der WTO beginnt mit obligatorischen Konsultationen zwischen den Streitparteien über  eine einvernehmliche Lösung (Art. 4 DSU). Dazu richtet das beschwerdeführende WTO-Mitglied an das beschuldigte Mitglied einen Antrag auf Aufnahme von Konsultationen. Das beschuldigte Mitglied soll einen Monat [Hervorhebung nicht im Original] nach Antragstellung mit dem beschwerdeführenden Mitglied Verhandlungen über eine einvernehmliche Lösung eröffnen (Art. 4.3 DSU). Führen diese Verhandlungen nicht binnen 60 Tagen zum Erfolg oder weigert sich das beschuldigte Mitglied, in Verhandlungen einzutreten, kann das beschwerdeführende Mitglied die Einsetzung eines Panels beantragen (Art. 4.3 und 4.7 DSU).

Es fällt auf, dass einmal von einem Monat gesprochen wird und dann von 60 Tagen. Sollte hier ein bewusster Wechsel von der Monatsfrist zur Tagesfrist stattgefunden haben oder gibt es eine andere Ursache?

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