Heute geht es um ein Thema, das besonders für Schwerpunktstudierende im Bereich internationales Recht interessant sein könnte. Es kann aber anderen Studierenden ebenfalls nützlich sein, weil sich das Problem in gleicher Weise in anderen Fächern stellen kann. Worum geht es? Um die Abkürzung von Gesetzen / Übereinkommen / … .
Archiv für Öffentliches Recht
Generalanwälte beim EuGH
In meiner mündlichen Prüfung im Examen im Jahr 2014 wurde ich gefragt, wie viele Generalanwälte am EuGH tätig sind. Ich habe in den für die Prüfung zugelassenen Sartorius in Art. 252 AEUV nachgeschaut. Dort steht in Absatz 1:
Der Gerichtshof wird von acht Generalanwälten unterstützt. Auf Antrag des Gerichtshofs kann der Rat einstimmig die Zahl der Generalanwälte erhöhen.
Also ging ich – wie auch Kaiser/Horst/Horst, Prüfungswissen Jura für die mündliche Prüfung, 2014, S. 27 – davon aus, dass am EuGH acht Generalanwälte tätig sind.
Eingriff oder Verletzung?
Heute schauen wir uns einen terminologischen Unterschied an, den wir bei jeder Grundrechts-Prüfung beachten sollten. Da man sich Dinge besser exemplarisch als abstrakt merken kann, habe ich als Beispiel die Urteilsbesprechung von Hufen, JuS 2014, 1146ff zum Urteil des BVerfG vom 11.12.2013 (Az.: 1 BvR 194/13) ausgesucht. Bei Hufen lesen wir auf Seite 1147:
Darstellung und Analyse
Anders als im Fall „durchgeknallter Staatsanwalt“ gibt die Kammer der Verfassungsbeschwerde statt und bezeichnet sie als zumindest teilweise offensichtlich begründet. Die angegriffene Entscheidung verletze die Bf. in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 I iVm 1 I GG, soweit sie die Äußerung zulässt, die Bf. sei eine „durchgeknallte Frau“.
Dass zu Beginn der Darstellung des Urteils bereits das Ergebnis „verraten“ wird, liegt daran, dass der Urteilsstil gewählt wurde. Entscheidend für uns ist, dass an dieser Stelle von „verletzt“ die Rede ist.
Gegen Ende der Besprechung von Hufen heißt es dann auf Seite 1148:
Das habe das OLG übersehen und damit in das Persönlichkeitsrecht der Bf. eingegriffen.
Jetzt ist also von Eingriff in das Persönlichkeitsrecht die Rede. Warum zunächst „Verletzung“ und dann „Eingriff“?
Zuständigkeitsverteilung zwischen mitgliedstaatlichen Gerichten und EuGH: Ein Regel-Ausnahme-Verhältnis
Cathrin Mächtle schreibt in der JuS 2015, 314 (315):
Die Prüfung der Erforderlichkeit und Erheblichkeit einer Vorlage obliegt dem mitgliedstaatlichen Gericht und ist der Nachprüfung durch den EuGH entzogen.
Wir halten fest: (1) Die Prüfung der Erforderlichkeit und Erheblichkeit einer Vorlage ist der Nachprüfung durch den EuGH entzogen.
Im darauf folgenden Satz heißt es dann:
Im Rahmen der Prüfung seiner Zuständigkeit untersucht der EuGH nur, ob die Fragen zu allgemeiner oder rein hypothetischer Natur sind, keinen Zusammenhang mit der Realität aufweisen oder ihre Beantwortung offenkundig nicht für das Verfahren erforderlich wäre.
Daraus folgt: (2) Der EuGH untersucht u.a., ob die Beantwortung der Fragen offenkundig nicht für das Verfahren erforderlich wäre.
Zwischen (1) und (2) besteht ein logischer Widerspruch. In (1) wird dem EuGH die Prüfung der Erforderlichkeit abgesprochen. In (2) wird eine Erforderlichkeitsprüfung für den EuGH bejaht. Wie können wir diesen Widerspruch auflösen?
Von den Tücken des „nur“ – oder: Die Ausnahmetrias
In der RÜ 2015 finden wir auf den Seiten 265ff einen Aufsatz von Horst Wüstenbecker zu dem Thema „Rechtsschutz im Verfassungsrecht – Die Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht“. Auf Seite 269 beschäftigt sich der Autor mit der Individualverfassungsbeschwerde. Dazu lesen wir:
Beteiligtenfähig ist nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG jedermann, d.h. jeder, der Grundrechtsträger sein kann.
[Terminologisch spreche ich im folgenden in Anlehnung an Hillgruber/Goos, Verfassungsprozessrecht, 2011, Rn. 104 von Beschwerdefähigkeit.]
Nach Art. 93 I Nr. 4a GG entscheidet das Bundesverfassungsgericht
über Verfassungsbeschwerden, die von jedermann mit der Behauptung erhoben werden können, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Artikel 20 Abs. 4, 33, 38, 101, 103 und 104 enthaltenen Rechte verletzt zu sein;
Damit im Zusammenhang steht § 90 I BVerfGG:
Jedermann kann mit der Behauptung, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Artikel 20 Abs. 4, Artikel 33, 38, 101, 103 und 104 des Grundgesetzes enthaltenen Rechte verletzt zu sein, die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erheben.
Also sollten wir besser so wie Hillgruber/Goos, Verfassungsprozessrecht, 2011, Rn. 104 formulieren:
„Beschwerdefähig ist, wer Träger des konkreten Grundrechts oder grundrechtsgleichen Rechts ist, dessen Verletzung er rügt […].“
Die Formulierung von Wüstenbecker ist also verkürzt, indem die Träger von grundrechtsgleichen Rechten nicht berücksichtigt werden. Diese sind aber in Art. 93 I Nr. 4a GG und § 90 I BVerfGG ebenfalls genannt und dürfen nicht unter den Tisch fallen.
Weiter schreibt Wüstenbecker zur Beteiligtenfähigkeit:
Neben natürlichen Personen sind dies nach Art. 19 Abs. 3 GG auch inländische juristische Personen, soweit die Grundrechte ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Nicht beteiligtenfähig sind dagegen juristische Personen des öffentlichen Rechts, die als Grundrechtsverpflichtete nicht zugleich Grundrechtsträger sein können.
Neben dieser Regel beschreibt Wüstenbecker dann Ausnahmen:
Juristischen Personen des öffentlichen Rechts hat das BVerfG nur die Berufung auf die prozessualen Grundrechte nach Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG (gesetzlicher Richter) und Art. 103 Abs. 2 GG (rechtliches Gehör) zugestanden, ein Teil der Lit. bejaht dies auch für den Justizgewährleistungsanspruch nach Art. 19 Abs. 4 GG.
Wer das so in Prüfungssituationen behauptet, wird sicher nicht mit der vollen Punktzahl belohnt.