Archiv für Öffentliches Recht

Ein Lernbaustein ohne drohende Beseitigungsverfügung (zu Weihnachten)

Eine Frage, die im Baurecht bei Beiseitigungsverfügungen immer diskutiert wird: Ist formelle und/oder materielle Baurechtswidrigkeit erforderlich?

Wüstenbecker schreibt dazu in der RÜ 10/2014, 661 (662):

Eine Beseitigungsverfügung setzt als Verstoß gegen baurechtliche Vorschriften formelle und materielle Illegalität (Baurechtswidrigkeit) voraus.

Weiter diskutiert er das Problem nicht, denn es ist erkennbar kein Schwerpunkt seines Falles. Dennoch sollte man mit solch pauschalen Sätzen vorsichtig sein. Warum? Das erklärt Lindner in der JuS 2014, 118:

Erstens stimmen sie [die Begriffe der formellen und/oder materiellen Illegalität, M.H.] mit den gesetzlichen Rechtsgrundlagen nicht überein, in denen von formeller und/oder materieller Illegalität gar keine Rede ist. Tatbestandsmerkmal ist vielmehr der „Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften“.

Aber es gibt noch ein wesentlich stärkeres Argument gegen diese klassische Formel, S. 119:

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Genaue Normzitate: Wie streng soll man sein?

Hier blickt ein Pavian streng.

 

Dass Normen genau zitiert werden sollen, hört man immer wieder.

Das hat auch einen praktischen Sinn, wie Möllers in der JuS 2002, S. 828 in seinem Aufsatz „Richtiges Zitieren“ erläutert:

 

„Sowohl bei Gesetzen als auch bei Gerichtsentscheidungen und sonstigen Literaturstellen ist die genaue Fundstelle anzugeben, damit der Leser in der Lage ist, den Beleg für Ihre These oder Ihr Argument zu suchen. Gerichtsentscheidungen sind zum Teil über hundert Seiten und Gesetzesnormen bis zu 50 oder 60 Zeilen lang. Wenn Sie nicht präzise zitieren, ist die Fundstelle für den Leser nutzlos, weil ihm nicht zuzumuten ist, unzählige Seiten nach einem einzigen Gedanken zu überprüfen.“

In der Ausbildungsliteratur geht´s aber manchmal etwas salopper zu. Das ist mir mal wieder aufgefallen, als ich den Aufsatz von Böhm/Hagebölling in der JA 2014, 759ff gelesen habe.

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Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit

HundIn der RÜ 9/2014 beschäftigt sich Gründer auf den Seiten 597ff mit dem Abschleppen verbotswidrig an einem Taxenstand parkender Fahrzeuge, im konkreten Fall eines Busses. Dabei stellt sich insbesondere das Problem der Verhältnismäßigkeit.

Dazu leitet Gründer auf S. 600 so ein:

dd) Die Entscheidung, den Bus im Wege des Verwaltungszwangs umsetzen zu lassen, stand gemäß § 6 Abs. 1 VwVG im Ermessen der Stadt F. Eine Ermessensentscheidung ist gemäß § 40 VwVfG u.a. dann fehlerhaft, wenn die Behörde dabei die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten hat. Das ist u.a. dann der Fall, wenn die Entscheidung gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt, der Teil des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG) ist und in allen Polizeigesetzen seine einfachgesetzliche Ausprägung gefunden hat.

An sich eine wirklich schöne Einleitung, die insbesondere normativ arbeitet. Warum der Satz, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in allen Polizeigesetzen seine einfachgesetzliche Ausprägung gefunden hat, eine Rolle spielt, leuchtet jedoch nicht unmittelbar ein.

Problematischer ist aber der Übergang zu dem nächsten Prüfungspunkt.

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„§§ … Gesetz 1, § … Gesetz 2“ oder „minima non curat professor“

alma marterImmer wieder liest man Normenketten wie §§ 69, § 64 I BVerfGG (Annette Prehn, JuS 2014, 905 (911)) oder §§ 54 Abs. 2 BeamtStG, § 126 Abs. 2 BBG (Martin Stuttmann, RÜ 2014, 603 (605)), dort sogar wohl als Textbaustein, vgl. Horst Wüstenbecker, RÜ 2014, 654 (656).
Ich hätte dazu nichts geschrieben, wüsste ich nicht, dass es mindestens einen Professor gibt, der sich über solche Formalitäten richtig aufregen kann.

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Tatort, „finaler Rettungsschuss“, und der Bild-TV-Inspektor – irrt.

Finaler RettungsschussSchon während der Stuttgarter „Tatort“ („Eine Frage des Gewissens“) lief, muss sich der BILD-TV-Inspektor (bis eben wusste ich gar nicht, dass es den gibt) an die Arbeit gemacht haben. Denn bereits um 21.44 Uhr vermeldete er in Bild-online:

„1. Gibt es den „finalen Rettungsschuss“ wirklich?

Ja! Er ist dann erlaubt, wenn kein anderes Mittel geeignet ist, die Lebensgefahr für einen anderen Menschen abzuwenden. Der erste finale Rettungsschuss wurde 1974 bei einem Banküberfall in Hamburg abgegeben.“

„BILD holt tief Luft“ heißt es in der Einleitung, aber BILD hat nicht tief genug Luft geholt.

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